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15. Juli 2009, Burdwedeler Nachrichten Marktspiegel
Alter Handwerksbrauch: Zimmerergeselle wurde „genagelt“ und „geschlagen“
Fuhrberger Zimmerei lässt seit vielen Jahren alten Brauch wieder aufleben

Fuhrberg. „Es ziept nur ein bisschen“, sagte der Altgeselle zum Jung-Gesellen Daniel Behrends. Letzter hatte die Prüfung zum Zimmerergesellen erst eine Woche zuvor bestanden. Nun wollte Behrends nach altem Handwerksbrauch dieser „Branche“ auch in Reihe seiner Kollegen aufgenommen werden. Mit „Ziepen“ war ein Vorgang gemeint, der im Prinzip ein Ohrstechen ersetzt zur späteren Aufnahme eines Ohrringes der Fuhrberger Zimmerei: Ein Nagel wird durch das Ohrläppchen in Holz getrieben. Der so Festgenagelte muss sich auslösen, kommt dann frei. Dann legt er sich über einen Bock und erhält, wenn er während der Ausbildung seinen Gesellen gegenüber zu aufmüpfig war, den ein oder anderen Schlag mit dem Zimmererwinkel. Anschließend wird gefeiert. Wer sich diesem Brauch unterzogen hat, darf den Ohrring der Zimmerei tragen und gehört zum Team dazu.

So geschah es, Daniel Behrends stellte sich an das Holztor, legte das Ohrläppchen aufs Holz, ein Altgeselle nahm Hammer und Nagel, der Schlag war kaum zu hören. Daniel Behrends zuckte kein bisschen. „Es hat nur ein bisschen geziept“, sagte er hinterher. Nun musste er sich auslösen. Ein Hut wurde ihm vorgehalten, er griff ein paar mal in die Westentasche, warf einige kleine Scheine hinein. Wer hinter diese Szene an der Hallentür schaute, wusste, wofür das Geld gedacht war. Dort begann ein Grill zu glühen. Als genug Geld im Hut war, wurde der Nagel gezogen, Daniel war frei und musste nur noch den Bock überwinden. Er muss ein ausgesprochen angenehmer Auszubildender gewesen sein, so problemlos verlief auch dieser Ritus. Dann ging es ans Feiern.

Der Brauch, frisch gebackene Gesellen zu nageln und zu schlagen sei uralt, erklärte Zimmermeister Frank Töllner gegenüber dieser Zeitung. Es gehe darum, in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden und sich einzugliedern. Zu Beginn der Lehrzeit fragen er und seine Kollegen jeden neuen Auszubildenden, ob er sich diesem Brauch unterziehen will. Immerhin gibt es dafür den besonderen Ohrring der Fuhrberger Zimmerei. Alle Auszubildenden hätten daran teilgenommen. Im Übrigen hätte jeder die Chance, jederzeit davon zurückzutreten.

„Um seine Gesundheit braucht sich auch niemand zu sorgen dabei“, erklärte Töllner. „Der Nagel wird spitz geschliffen, dann werden das Holz, Nagel und Hammer desinfiziert, und wenn der Nagel wieder herausgezogen ist, wird das Ohrläppchen noch einmal desinfiziert und es kommt ein Ring in das Loch, wie beim normalen Ohrstechen, damit das Loch nicht wieder zuwächst. In ein paar Tagen kann Daniel dann den Ring der Fuhrberger Zimmerei tragen“.

Anschließend wurde bei Bratwurst, Brause und Bier gefeiert. Die Eltern des nun brauchtumsgemäß in sein Berufsleben eingeführten Zimmerergesellen waren mit dabei. „Das ging so schnell, viel schneller als damals das Ohrlochstechen bei mir“, erklärte die Mutter und Daniel sagte: „Es hat wirklich nur etwas geziept“.

(Text und Fotos: Hans Hermann Schröder)

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Ein leichter Hammerschlag und der Nagel hat das Ohrläppchen durchdrungen. Daniel Behrends wurde mit diesem alten Zimmererbrauch in die Gemeinschaft der Zimmerergesellen aufgenommen. „Es hat wirklich nur ein wenig geziept“, sagte er hinterher.
Mit diesem aufwendig gestalteten Ohrring wird sich Daniel Behrends nun schmücken können. Das Tragen dieser Ringe ist fester Bestandteil des Lebens eines Zimmermanns.
Schnell war der Geselle an die Tür genagelt mit seinem Ohrläppchen. Anschließend wurde ihm ein Hut vorgehalten zum Auslösen und zur Finanzierung der Feier.